Die neue Generation der Hypnotherapie-Expert*innen: H:NG in Budapest

„Where is room 203?“, fragte ich die Dame an der Rezeption des psychologischen Instituts der Universität in Budapest. „Second, second“, erwiderte sie und gestikulierte einem Mann, dass er zu uns kommen solle. 

Die Luft roch etwas bitter, und ich war sofort in meine Schulzeit zurückversetzt. Ich musste darüber schmunzeln, wie schnell mich Gerüche in Erinnerungstrancen versetzen.

„How can I help you?“, fragte mich der Mann, und ich wiederholte meine Frage.
„It’s in the second floor, just go upstairs and to your right.“
„Köszönom“, sagte ich etwas stolz auf ungarisch.

Im Raum 203 sah ich dann einige bekannte Gesichter. Viele weitere Gesichter sah ich zum ersten Mal, viele davon würde ich in den nächsten Tagen kennenlernen.

Insgesamt gab es wahrscheinlich nicht viel mehr als 100 Teilnehmer*innen auf der Konferenz. Das hatte aber eigentlich nur Vorteile: Man konnte sehr leicht und schnell mit anderen Teilnehmer*innen und Dozent*innen ins Gespräch kommen. Koryphäen auf ihrem Gebiet wie Eva Banya (die Mutter der ungarischen Hypnose-Gesellschaft), Katalin Varga, Brian Allen, Marc Jensen, Linda Thompson, Victor Rausch, Julie Linden mischten sich in den Pausen unter die Teilnehmenden und waren für Gespräche und Fragen offen.

Marc Jensen Forscher und Hypnotherapeut über automatische Selbst-Suggestionen.

Überhaupt herrschte eine sehr offene und kreative Atmosphäre. Bachelor-Studierende, frisch gebackene Psycholog*innen, junge Wissenschaftler*innen und auch die ältere, erfahrene Generation begegneten sich in Workshops, Paper-Sessions und Pausen im „Teehaus“ (einem Raum, in dem die Organisator*innen mit Kaffee, Tee, Keksen und gemütlichen Sitzmöglichkeiten für das leibliche Wohl sorgten).

Im Teehaus sorgten Studierende im Orgateam für einen endlosen Fluss an Tee, Kaffee und guten Vibes. ✌️

In den Paper-Sessions wurden immer je drei Papers, Fallstudien oder Kurzvorträge vorgestellt.

„Unglaublich, wie viele Papers es zum Thema Hypnose gibt!“, meinte Lisa in einer dieser Paper-Sessions zu mir, und ich nickte. Wir erfuhren unter anderem etwas über die unterschiedlichen Generationen von Hypnose-Forschern, eine Studie zur Hypnose in der Notaufnahme, eine Fallstudie zur ersten Gesichtstransplantation unter Hypnose und vieles mehr. Eine vollständige Übersicht über alle 35 Sessions findest du im Programm des Kongresses.

Lioudmila Karnatovskaia aus den USA über Hypnose in Notaufnahmeräumen.

In den Workshops teilten Dozent*innen konkrete Fähigkeiten, Einsichten und Haltungen mit den Teilnehmenden. Ehrlich gesagt, erwartete ich mir in diesem Punkt am wenigsten vom Kongress. Da ich bisher vor allem in Deutschland auf Hypnose-Kongressen unterwegs war, kannte ich die meisten Dozent*innen nicht. Außerdem war der Kongress ja an junge Profis gerichtet, die noch nicht so erfahren sind wie ihre älteren Kolleg*innen.

Doch meine Erwartungen wurden weit übertroffen: Es gab ein reichhaltiges Angebot zu unterschiedlichsten Themen: „Deep Trance“, „Creating Healing Stories“, „Rapid Inductions“, um nur einige Titel zu nennen, die mich persönlich ansprachen. Die Workshops, die ich besuchte, waren spannend und didaktisch gut aufgebaut. Ich verließ jeden Workshop mit konkreten Methoden oder Einsichten. So lernten wir zum Beispiel im Workshop mit Gabor Filo unterschiedliche Wege, schnell eine tiefe Trance anzuleiten, und probierten diese auch gleich an uns aus.

„Take my hand...

...and go into a deep trance.“

Was ich spannend fand, war, dass die ersten Workshop-Slots um 08:00 Uhr früh stattfanden. 

„Meinen sie das ernst?“, fragte ich Shady verdutzt, als ich das Programm las. Das stellte mich abendlich vor das Dilemma: Ruin-Pub oder 08:00-Uhr-Workshop?

Das Rahmenprogramm war ebenfalls schön gestaltet: Es gab Speed-Dating-Sessions, in denen Expert*innen in der Konferenzhalle saßen, die man für drei Minuten alles fragen konnte, was man so wissen wollte. Zudem gab es einen interkulturellen Abend, an dem Chili-Süßigkeiten aus Mexiko manche Gesichtszüge verzerrten und man sich bei einem Gläschen Wein noch etwas besser kennenlernen und vernetzen konnte.

Kurz vor der ersten Verköstigung der Chili-Süßigkeiten.

Eva Banya schneidet den Geburtstagskuchen an.

Beim Tagungsfest am Freitagabend gab es dann köstliches Essen und eine Geburtstagstorte für die ungarische Hypnose-Gesellschaft, die dieses Jahr 30 wurde.

Was ist mein Fazit zu Hypnosis: New Generation?

Ich war schon vor der Tagung von der Idee begeistert, junge Profis auf dem Gebiet der Hypnose zusammenzubringen. Und meine Erwartungen wurden sogar noch übertroffen. Die Konferenz hatte einen wunderbaren familiären Charakter, es gab viele Möglichkeiten sich auszutauschen, die eigenen Fähigkeiten zu verbessern und die Begeisterung für Hypnotherapie und Hypnose war höchst ansteckend. Hypnosis: New Generation war meine erste internationale Hypnose-Tagung und bestimmt nicht meine letzte. 

Wenn du jetzt neugierig geworden bist und auch auf internationalem Boden eine Hypnotherapie-Konferenz mitmachen willst, gibt es in den nächsten zwei Jahren in Europa zwei weitere Kongresse:

Basel 2020, organisiert von der europäischen Gesellschaft für Hypnose.

Krakau 2021, organisiert von der internationalen Gesellschaft für Hypnose.

Für Studierende gibt es oftmals auch die Möglichkeit, als Helfer*in mitzumachen. Schreib an die Organisatoren und probier es aus!

Autor: Raphael Kolic

Raphael bloggt seit Mitte 2018 für die Milton Erickson Gesellschaft für klinische Hypnose. Er macht gerade selbst die Ausbildung zum Psychotherapeuten. In Heidelberg, Wien und Hamburg hat er das Curriculum klinische Hypnose als Praktikant durchlaufen. Ein paar seiner vergangenen Projekte sind unter anderem der Blog no-right-no-wrong.com und sein Buch: Achtsame Selbsthypnose.

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