Jeffrey Zeig über Milton H. Erickson und erfahrungsbasierte Psychotherapie

In unserer heutigen Episode sprechen wir mit Dr. Jeffrey Zeig, einem international renommierten Psychotherapeuten, Autor und Gründer der Milton H. Erickson Foundation. Jeffrey Zeig hat die Welt der Psychotherapie durch seine Arbeit maßgeblich geprägt. Als direkter Schüler von Milton H. Erickson teilt er faszinierende Einblicke in dessen einzigartigen Ansatz und die transformative Kraft von Hypnose.

Darüber hinaus spricht Jeffrey Zeig über seine langjährige Erfahrung in der Psychotherapie und gibt wertvolle Einblicke in die Kunst, therapeutische Prozesse so zu gestalten, dass sie nicht nur informativ, sondern vor allem transformativ wirken. Sein Ansatz orientiert sich an Prinzipien außerhalb der klassischen Psychotherapie, wie beispielsweise aus dem Bereich der Kunst, und zielt darauf ab, Menschen durch einen erfahrungsbasierten Ansatz wirksam zu unterstützen.

In dieser Episode erfährst du:

  • Wie Milton H. Erickson als Mentor Jeffreys Sicht auf Psychotherapie und den Umgang mit menschlichen Herausforderungen prägte.
  • Warum Jeffrey Zeig künstlerische Prinzipien wie Gestik, Tonalität und Dramaturgie in seine therapeutische Arbeit integriert.
  • Welche Bedeutung das Konzept der Evokation in der Therapie hat und wie es therapeutische Durchbrüche ermöglicht.
  • Wie Jeffreys erste Begegnung mit Erickson seinen beruflichen Werdegang grundlegend beeinflusst hat.
  • Warum die Weiterentwicklung von Psychotherapie nicht nur empirisches Wissen, sondern auch kreative Ansätze erfordert.
  • Wie Jeffrey Zeig die Evolution of Psychotherapy Conference ins Leben rief, um interdisziplinären Austausch in der Psychotherapie zu fördern.
  • Warum es entscheidend ist, nicht nur Informationen zu vermitteln, sondern Klient:innen durch Erlebnisse zu nachhaltigen Erkenntnissen zu führen.

Freue dich auf eine Episode voller wertvoller Einblicke in die Kunst und Wissenschaft der Psychotherapie.

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Ressourcen & Links:

  • Milton H. Erickson FoundationInformationen über die Arbeit der Stiftung, kommende Veranstaltungen und Ressourcen: www.erickson-foundation.org
  • Evolution of Psychotherapy ConferenceDie weltweit größte interdisziplinäre Psychotherapie-Konferenz, organisiert von der Milton H. Erickson Foundation: www.evolutionofpsychotherapy.com
  • Trainings und Workshops mit Dr. Jeffrey ZeigÜbersicht über geplante Seminare und Trainings für Psychotherapeut:innen, inklusive Details zu den Kursinhalten und Anmeldemöglichkeiten:www.erickson-foundation.org/events
  • Jeffrey Zeigs Bücher und VeröffentlichungenÜbersicht über seine Publikationen, einschließlich seiner Bücher zur Hypnose und Psychotherapie: Bücher im Webshop der Milton Erickson Foundation
  • Erickson Foundation YouTube-KanalVorträge, Interviews und Workshops von Dr. Jeffrey Zeig und anderen Expert:innen: YouTube-Kanal der Erickson Foundation
  • Milton H. Erickson Gesellschaft DeutschlandInformationen über deutsche Veranstaltungen, Kongresse und Ressourcen: www.meg-hypnose.de

Interview in Textform und übersetzt ins Deutsche:

Raphael: Willkommen, willkommen zum Hypnose-Podcast der Milton Erickson Gesellschaft Deutschland. Vielen Dank, Jeff, dass Du Dir die Zeit genommen hast.

Jeffrey Zeig: Vielen Dank für die Einladung.

Raphael: Normalerweise starte ich mit der ersten Frage, aber bei Dir dachte ich, ich mache es anders. Ich möchte dieses Interview damit beginnen, Dir meine Dankbarkeit auszudrücken. Seit ich beschlossen habe, Psychotherapeut zu werden, warst Du eine große Inspirationsquelle für mich.

Ich kenne kaum einen anderen Psychotherapeuten oder eine andere Psychotherapeutin, die sich so sehr dafür einsetzen, ihr Wissen zu erweitern, zu teilen und einem breiten Fachpublikum zugänglich zu machen, wie Du es tust. Deshalb möchte ich Dir zu Beginn dieses Gesprächs danken.

Jeffrey Zeig: Ich hatte viele inspirierende Persönlichkeiten in meinem Leben. Es freut mich, dass ich das für Dich sein konnte. Danke. Werden wir das Interview ins Deutsche übersetzen oder bleibt es auf Englisch?

Raphael: Ich denke, die meisten Zuhörerinnen und Zuhörer werden es auf Englisch verstehen, wir werden nicht übersetzen.

Jeffrey Zeig: Okay.

Raphael: Es ist nicht das erste Interview auf Englisch. 

Jeffrey Zeig: Mein Deutsch ist sehr schlecht…

Raphael: Nun, mein Englisch ist auch nicht viel besser, aber ich hoffe, es reicht für dieses Interview.

Raphael: Du hast einen umfangreichen Hintergrund in Ericksonschen Methoden und Psychotherapie. Was waren einige der wichtigsten Entscheidungen und Erfahrungen, die dich auf diesen Karriereweg geführt haben?

Jeff Zeig: Ja, ich habe vor 50 Jahren, Anfang der 1970er Jahre, begonnen, Hypnose zu studieren, und es war ein eher ungewöhnlicher Zufall. Ich hatte einen Supervisor, und ich wollte nicht, dass er mein Lernen beeinträchtigt. Also fragte ich ihn, ob er mir Hypnose beibringen könnte. Ich war nervös, weil er mich bat, an einem Samstag in sein Büro zu kommen, um hypnotisiert zu werden. Ich dachte, er würde mir einfach Inhalte beibringen, aber er wollte eine Induktion mit mir durchführen.Ich war ängstlich und wusste nichts darüber. Ich trommelte nervös mit den Fingern auf die Armlehne des Stuhls. Er sagte: „Beobachte das Muster der Bewegung deiner Finger. Achte darauf. Sieh, wie es sich verändern kann. Vielleicht wird es langsamer. Und während es langsamer wird, kannst du dich verlangsamen. Und während du dich verlangsamt, kannst du deine Augen schließen.“Das war mein erstes Beispiel für Utilisation, und es faszinierte mich. Ich fragte: „Was sollte ich lesen?“ Und er antwortete: „Lies Milton Erickson.“ Ich fragte: „Wer?“ Ich hatte keine Ahnung von Erickson. Ich war in meinem Masterprogramm für Psychotherapie im Praktikum. Als ich begann, Erickson zu lesen, war ich schockiert. Er machte Dinge, die Lichtjahre von dem entfernt waren, was ich traditionell in der Schule lernte.Ich schrieb an Erickson, erklärte mein Interesse an ihm und seiner Arbeit, und fragte, ob ich ihn besuchen könnte. Schließlich hatte ich im Dezember 1973 die erste Gelegenheit, ihn zu besuchen. Das war eine lebensverändernde Erfahrung.

Zu der Zeit hatte ich ein sehr grundlegendes Verständnis von Hypnose, basierend auf traditionellen Ansätzen: Man lernte eine Induktion auswendig, eine Vertiefungstechnik und Suggestionen, die man relativ passiv an Klientinnen und Klienten weitergab.Doch bei Erickson sah ich etwas völlig anderes. Ich empfehle, Hypnose zu verstehen. Ich sage nicht, dass Studierende unbedingt Expertise darin entwickeln müssen, aber Hypnose ist eine Methode, Menschen zu helfen, ihren Zustand zu verändern. Oft kommen Klientinnen und Klienten in die Therapie, weil sie ihren Zustand ändern müssen – sie müssen motiviert, verantwortlich, verbunden oder neugierig werden.

Wir können Menschen erklären, wie sie motiviert oder verantwortlich werden oder ihren Zustand ändern können. Aber das ist etwas, das man erfahrungsbasiert tun muss. Hypnose ist die Mutter eines erfahrungsbasierten Ansatzes in der Psychotherapie. Und wenn man lernt, wie man jemandem hilft, von einem alltäglichen Zustand in einen hypnotischen Zustand zu wechseln, lernt man auch, wie man jemandem hilft, von einem Problemzustand in einen Lösungszustand zu wechseln – selbst wenn man die Technologie der Hypnose auf den Alltag der Psychotherapie anwendet.

Raphael: Einer der Schlüsselmomente war also dieser erfahrungsbasierte Ansatz, den du selbst erlebt hast, richtig? Was hat dich ursprünglich dazu motiviert, Psychotherapie zu studieren?

Jeff Zeig: Ursprünglich habe ich den rogerianischen Ansatz, das reflektierende Zuhören, kennengelernt. Während meines Grundstudiums habe ich in einem Kriseninterventionszentrum gearbeitet, eines mitgegründet und später geleitet, als ich meinen Master machte. Ich war an einem praktischen Ansatz interessiert: Wie hilft man jemandem, von Punkt A nach Punkt B zu kommen, anstatt zu verstehen, wie er zu Punkt A gekommen ist?Das Interesse an einem kurzen, strategischen Ansatz zur Psychotherapie faszinierte mich. Ich studierte Transaktionsanalyse bei Bob und Mary Goulding, zwei hervorragenden Therapeutinnen und Therapeuten. Dann begann ich, Hypnose zu lernen. Aber ich war immer mehr an praktischen als an theoretischen Ansätzen interessiert.

Raphael: Du bist in der Psychotherapie sehr aktiv – du hast zahlreiche Bücher geschrieben, bedeutende Konferenzen organisiert und bist in den sozialen Medien sehr präsent. Nicht viele Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten nutzen soziale Medien so intensiv. Was treibt dich dazu an, dich in diesem Bereich weiterzuentwickeln und so engagiert zu sein?

Jeff Zeig: Nun, versuche, die Welt durch deine bloße Präsenz auf diesem Planeten ein kleines bisschen besser zu machen – das war immer eine Leitlinie für mich, von meinen Tagen in der Highschool über die College-Zeit bis heute. Wenn ich die Möglichkeit habe, versuche ich, einen Beitrag zu leisten.Ich war sehr aktiv darin, zur Psychotherapie beizutragen. Hypnose ist nur ein kleiner Teil der Psychotherapie insgesamt, und meine Arbeit bestand darin, Hypnose und die Ericksonsche Praxis in den Mainstream der Psychotherapie zu integrieren und sie nicht als eigenständige Disziplin zu belassen.Es geht darum, Hypnose zu etwas Grundlegendem zu machen, um Klientinnen und Klienten dabei zu helfen, aus schwierigen Situationen herauszukommen. Meine persönliche Orientierung lag immer auf Leistung, und meine berufliche Orientierung war die Psychotherapie. Ich habe beide kombiniert – Leistung und berufliche Orientierung – und es war eine großartige Karriere.

Raphael: Ja, das ist eine wunderschöne Antwort. Vielen Dank. Wir werden über diesen Aspekt noch sprechen, insbesondere weil du auch der Architekt einer der größten und wichtigsten Konferenzen zur Psychotherapie bist: der „Evolution of Psychotherapy“-Konferenz.

Jeff Zeig: Genau, die Evolution of Psychotherapy.

Raphael: Aber bevor wir darauf eingehen, möchte ich dich etwas fragen, was dir vermutlich schon tausendmal gestellt wurde. Wie war es, mit Milton Erickson zu interagieren? Wie war es, ihn zum ersten Mal zu treffen?

Jeff Zeig: Es war verwirrend.Alle meine Lehrerinnen und Lehrer brachten mir Theorien, Praxis und Forschung bei. Erickson hingegen war völlig erfahrungsbasiert. Es war ein Erlebnis, bei ihm zu sein. Er arbeitete nicht daran, meine linke Gehirnhälfte mit Fakten zu füllen. Stattdessen gab er mir Erfahrungen, die mir halfen, flexibler, motivierter und neugieriger zu werden.Diese Orientierung faszinierte mich, aber ich konnte sie nicht richtig einordnen. Ich kam immer wieder mit der Hoffnung, sie zu verstehen. Heute glaube ich, sie ein wenig besser zu verstehen. Erickson war eine unglaublich inspirierende Persönlichkeit. Ich wollte einfach in seiner Nähe sein, denn er hatte mit so vielen Problemen und Einschränkungen zu kämpfen und war dennoch unermüdlich. Sein Polio, seine Lähmungen, seine Schmerzen – nichts konnte ihn aufhalten. Er war der Architekt seines eigenen Lebens, und ich wollte beobachten, wie er lebte. Es war inspirierend, in seiner Nähe zu sein, und ich bin dankbar, dass ich diese Gelegenheit hatte.

Raphael: Wow. Und im Nachhinein, was waren einige Schlüsselerfahrungen, die du in der Zeit mit ihm gemacht hast?

Jeff Zeig: Diese Idee, jemanden auf einen Zustand hin zu orientieren, war eine der wichtigsten.Man kann jemandem nicht direkt in algorithmischer Weise erklären, wie man motiviert, verantwortlich oder neugierig wird. Es ist nicht Schritt eins, zwei, drei – es ist mehr eine Kunst. Wir gehen ins Kino oder zu einem Konzert, weil wir etwas fühlen wollen. Die Künstlerin oder der Künstler sagt uns nicht, was wir fühlen sollen, sondern schafft eine Plattform, auf der wir Liebe, Abenteuer oder Drama erleben können.Erickson nutzte Techniken, die in der Kunstwelt üblich sind, aber nicht in der Psychotherapie. In meiner Freizeit studiere ich, welche Methoden Künstlerinnen und Künstler verwenden, und überlege, wie ich diese in der Psychotherapie anwendbar machen kann. Wenn man jemanden dazu bringen möchte, etwas zu erkennen, geht es nicht nur um kognitives Verstehen, sondern um ein tiefes, erlebtes Begreifen.

Das ist die Essenz der Hypnose. Es geht um die Erfahrung: Es kann sein, dass die Aufmerksamkeit verändert wird, die Sinneswahrnehmungen verstärkt werden, Dissoziation stattfindet oder auf Suggestionen in der Sprache reagiert wird. Es gibt keinen einzigen richtigen Weg, um in Hypnose zu gehen, sondern viele Wege. Aber alle beinhalten, dass man die Erfahrung macht.Es ist ein bisschen wie Fahrradfahren lernen. Egal wie viel Theorie man über Gleichgewicht weiß, man muss aufs Fahrrad steigen und seinem Körper die Möglichkeit geben, zu lernen, was Gleichgewicht bedeutet. Erst dann kann man effektiv Fahrrad fahren.

Raphael: Und was war eine spezifische Erfahrung, die du mit Milton Erickson gemacht hast? Etwas, das dir besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Jeff Zeig: Spontan? Nun, Erickson war einzigartig und ungewöhnlich. Ich denke an meine erste Begegnung mit ihm im Jahr 1973. Zu der Zeit war er noch nicht so populär. Er gewann erst in den 1970er Jahren mehr an Bekanntheit. In der Hypnose-Welt war er wohl bekannt, aber in der Psychotherapie-Welt eher weniger.Meine ersten Treffen mit Erickson fanden allein statt, bevor Gruppen von Menschen kamen, um von ihm zu lernen, und bevor er mehr Seminare abhielt. Ich erinnere mich, wie ich in seinem Büro saß, ein junger Therapeut mit einem Masterabschluss, und auf ihn wartete. Mrs. Erickson schob ihn in einem Rollstuhl ins Zimmer. Mit großer Mühe stemmte er sich aus dem Rollstuhl und ließ sich schwer in den Bürostuhl fallen.

Er blickte auf den Boden. Sozial hatte ich gelernt, dass man eine Person anschaut, wenn man mit ihr zusammen ist, aber er schaute weiter auf den Boden. Also fragte ich: „Kann ich meinen Rekorder aufstellen?“ Er nickte, ohne aufzusehen. Ich schaltete meinen Rekorder ein, und er begann, zum Boden zu sprechen:

„Dieses violette Telefon“, sagte er, „das auf seinem Schreibtisch stand, war ein Geschenk von vier Graduierten. Zwei von ihnen bestanden ihre Hauptfächer und fielen in ihren Nebenfächern durch, und zwei andere bestanden ihre Nebenfächer und fielen in ihren Hauptfächern durch. Die zwei, die ihre Hauptfächer bestanden und in den Nebenfächern durchfielen, bestanden schließlich alles. Die anderen beiden bestanden ihre Nebenfächer und fielen in den Hauptfächern durch.“Er schloss mit den Worten: „Mit anderen Worten: Sie wählten die Hilfe, die ich ihnen anbot.“

Dann schaute er mich an, und ich... ich war völlig verwirrt. Ich hatte eine Amnesie durch diese Verwirrungsinduktion. Später, bei einem Seminar in Kalifornien, spielte ich die Aufnahme ab und hörte mir die Geschichte erneut an. Erst dann verstand ich, was er sagte, und wieder fühlte ich dieses Staunen.

Später zog ich nach Phoenix, Arizona, um näher bei Erickson zu sein. Einmal fragte mich ein Student, ob ich ihm Supervision geben könnte. Ich fragte nach seiner Erfahrung, und er antwortete: „Ich hatte Supervision bei Erickson, als ich noch Student war. Ich war einer von vier Graduierten, die ihn besuchten. Wissen Sie, dieses violette Telefon auf seinem Schreibtisch? Wir haben es ihm geschenkt.“ Die Geschichte war also absolut wahr. Zwei von ihnen wurden Psychologinnen oder Psychologen, die anderen gingen in andere Berufe. Erickson hatte nicht einfach etwas erfunden, sondern eine echte Geschichte genutzt – und dabei das violette Telefon, das heute noch im Erickson-Museum auf seinem Schreibtisch steht, als Element eingebaut.

Es war ein Moment der Verwirrung, der Erleuchtung, der Flexibilität. Ich verstand etwas über meine eigenen Fähigkeiten, über Erinnern und Vergessen. Es zeigte mir, wie jemand wie Erickson, der aufgrund seiner Lähmungen durch Polio stark eingeschränkt war, alles nutzte, was ihm zur Verfügung stand. Für ihn war Utilisation keine Technik, sondern eine Lebensweise.

Erickson war nicht wie die Lehrerinnen und Lehrer, die Fakten vermitteln, die man dann in Prüfungen wiedergibt. Er lebte in einer erfahrungsbasierten Welt, nicht in einer rein didaktischen. Seine Schriften – über 100 Artikel – waren oft didaktisch. Aber im persönlichen Kontakt war er erfahrungsorientiert.

Das beeindruckte mich zutiefst: die totale Nutzung der Kommunikation. Erickson nutzte Mimik, Gestik, Proxemik, Sprachrichtung und -geschwindigkeit – alles, was er trotz seiner Einschränkungen einbringen konnte. Er war ein „verwundeter Heiler“: Seine Wunden waren offensichtlich, aber er nutzte seine Energie, um andere zu heilen. Das war inspirierend.

Raphael: Weißt du, es braucht eine Art Balance, was ich jetzt sage. Es gibt im Deutschen das Wort „Anforderung“, es bedeutet, dass das Leben etwas von dir fordert. Könnte es sein, dass Erickson – mit Polio, Krankheiten oder persönlichen Krisen – das Leben so große Anforderungen stellte? Manchmal, wenn wir diese Anforderungen meistern, wachsen wir enorm. Es scheint, dass genau das bei Erickson passiert ist. Er hatte tiefe Krisen, vor allem gesundheitliche, und er wusste, wie man sie nutzt und daraus wächst.

Jeff Zeig: Widrigkeiten sind Prüfungen, die den Charakter formen. Im Leben begegnen wir Herausforderungen, die uns entweder überwältigen oder die wir meistern. Das macht das Leben zu einem heldenhaften Drama. Jede Heldengeschichte handelt davon, dass der Held einer Widrigkeit gegenübersteht und einen Weg findet, sie zu überwinden – oder daran scheitert.Erickson war ein Meister darin. Trotz seiner Einschränkungen ließ er sich nie davon definieren, wer er war. Das hat auch mich inspiriert: Ich erkannte, dass ich meine eigenen Begrenzungen akzeptieren und nutzen konnte, anstatt von ihnen besiegt zu werden.

Raphael: Mm-hm. Wir alle haben solche Erfahrungen, die unser Interesse an bestimmten Bereichen wecken – in deinem Fall an Hypnose. War dies eine der ersten Erfahrungen, die dich wirklich fasziniert hat und dir zeigte, dass dieser Bereich für dich und deine Karriere wichtig sein könnte?

Jeff Zeig: Ja, genau. Ericksons Wissen und Weisheit waren von unschätzbarem Wert für mich, aber sein Geist war das, was mich wirklich bewegte. Und das ist etwas, das schwer zu vermitteln ist. Ich hoffe, dass ich es ausreichend schaffe, die Größe seiner Präsenz zu beschreiben. Er war so bewusst und so menschlich interessiert. Wenn er sagte, dass man das Leben trotz Einschränkungen genießen kann, dann lebte er das vor deinen Augen.Er sprach nicht hypothetisch oder heuchlerisch, sondern aus seiner eigenen Erfahrung. Er war zweifellos ein Genie, daran habe ich keinen Zweifel. Aber für mich hatte seine Persönlichkeit als Mentor eine tiefere Bedeutung: Er zeigte mir, wie man mit den Widrigkeiten des Lebens umgeht.

Raphael: Kann ich es mir so vorstellen, dass man Milton Erickson gegenüber saß und er nicht einmal etwas sagen musste? Allein seine Präsenz war so kraftvoll, dass sie einen bewegte. Ist das in etwa das, was du beschreibst?

Jeff Zeig: Ja. Erickson war nicht mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Er war vollkommen präsent – für seine Schülerinnen, Schüler und seine Klientinnen und Klienten. Diese Fähigkeit machte einen großen Unterschied. Es war nicht nur der intellektuelle Teil, sondern die Gesamtheit von Ericksons Art, in der Welt zu sein. Seine Wahrnehmung war legendär, seine Aufmerksamkeit außergewöhnlich.Er hätte seine Probleme – seine physischen Einschränkungen – als Hindernisse ansehen können, aber seine Präsenz strahlte weit über seine Begrenzungen hinaus.

Raphael: Das zeigt für mich erneut, dass die eigene Haltung und das Sein oft wichtiger sind als jede Technik.

Jeff Zeig: Da stimme ich vollkommen zu. Ich möchte Ericksons Genialität nicht schmälern, aber ich möchte seine Präsenz betonen. Du hast das sehr gut gesagt.

Raphael: Vielen Dank für deine Einsichten. Es ist selten, jemanden zu treffen, der so viel von Erickson gelernt hat. Deine Vision geht jedoch über Erickson hinaus: Du bist der Architekt der „Evolution of Psychotherapy“-Konferenz, bei der Expertinnen und Experten aus verschiedenen Therapiefeldern zusammenkommen. Ich habe das Programm von 2023 gesehen – Donald Meichenbaum, Verhaltens- und andere Therapeutinnen und Therapeuten aus allen möglichen Disziplinen waren dabei. Was ist deine Vision für Psychotherapie und für die Konferenz?

Jeff Zeig: Meine Vision ist es, die Gemeinsamkeiten zu finden, die Therapie effektiv machen. Therapie begann als ein divergentes Feld: Es gab psychodynamische, verhaltensorientierte, humanistische und systemische Ansätze, und jede Disziplin bewegte sich in ihrem eigenen Rahmen. Die Idee war, diese Trennung zu überwinden.1983, als ich die Konferenz für 1985 plante, fragte ich mich, warum niemand zuvor die führenden Köpfe aus so unterschiedlichen Bereichen wie humanistischer Therapie, Gestalttherapie, Familientherapie, kognitiver Therapie, Verhaltenstherapie und Rogerianischer Therapie zusammengebracht hatte.Die Konferenz war ein Raum, um nicht zu konkurrieren, sondern sich zu vernetzen. Viele dieser Expertinnen und Experten hatten sich vorher noch nie getroffen. Sie stellten fest, dass sie mehr gemeinsam hatten, als sie zuvor dachten.

Die Konferenz fand zu einer Zeit statt, als die Vielfalt der psychotherapeutischen Ansätze ihren Höhepunkt erreichte, was ein wichtiger Schritt in der Entwicklung des Feldes war. Hundert Jahre nach Beginn der Psychotherapie, 1885, begann die Bewegung in Richtung Konvergenz: Was tust du, das funktioniert? Was tue ich, das ähnlich ist? Wie können wir die Mechanismen dahinter verstehen?Ich selbst interessiere mich für viele verschiedene Therapieansätze. Ich praktiziere nicht nur Hypnose oder Ericksonsche Therapie, sondern nehme Elemente aus vielen Schulen der Psychotherapie, um die beste Unterstützung für meine Klientinnen und Klienten zu bieten.

Raphael: Du bist hautnah an der Entwicklung der Psychotherapie dran. Welche aktuellen Trends oder Entwicklungen im Feld der Psychotherapie begeistern dich am meisten?

Jeff Zeig: Nun, es ist mir etwas peinlich zuzugeben, dass mich derzeit nichts innerhalb des Psychotherapiefeldes besonders inspiriert. Deshalb suche ich Inspiration außerhalb, zum Beispiel in der Kunst. Ich versuche zu verstehen, wie Künstlerinnen und Künstler denken, welche Methoden sie verwenden – wie sie mit Andeutungen, Bildern oder Gesten arbeiten, um ihr Publikum zu bewegen und Erkenntnisse hervorzurufen.

Psychotherapie in den USA entwickelt sich zunehmend als medizinische Disziplin: Es gibt einen „richtigen“ Eingriff oder eine „richtige“ Methode, so wie es eine „richtige“ Medizin für eine Infektion gibt. Aber ich interessiere mich mehr für die Kunst der Psychotherapie als für die Wissenschaft der Psychotherapie. Ich bin kein großartiger Wissenschaftler, wenn es darum geht, Psychotherapie zu erforschen, aber ich hoffe, Ideen beizutragen, die das Feld voranbringen.

Es gibt in jeder Therapieschule etwas Erfahrungsbasiertes: In der Gestalttherapie, im Psychodrama – und sogar im psychodynamischen oder psychoanalytischen Modell, wo jemand auf einer Couch liegt und zur Decke spricht. Frieda Fromm-Reichmann, eine großartige Psychoanalytikerin, sagte einmal: „Patientinnen und Patienten kommen zur Therapie für eine Erfahrung, nicht für Informationen.“ Wenn wir die Therapie erfahrungsbasierter gestalten, entspricht das meiner Vision, wohin sich das Feld entwickeln sollte.

Allerdings wird vieles durch den Markt bestimmt, vor allem durch die Frage: „Ist es erforschbar?“ Es ist einfacher, nachzuweisen, ob ein Medikament wirkt, als nachzuweisen, dass eine therapeutische Intervention die richtige ist. Dabei geht es in der Therapie darum, Klientinnen und Klienten dabei zu helfen, etwas zu erleben: Motivation, Verantwortung, Verbundenheit, Neugier – was auch immer das Ziel ist.

Ich versuche, aus anderen Feldern zu lernen und dies in die Praxis zu integrieren. Obwohl ich viele Therapieschulen gut kenne und Elemente daraus nutze, bin ich überzeugt, dass Psychotherapie mehr Kunst als Wissenschaft ist.

Raphael: Ich habe Psychologie in Wien studiert, und einige meiner Professorinnen und Professoren meinten, dass Freud kein Wissenschaftler war, sondern ein Künstler. Wusstest du davon?

Jeff Zeig: Nein, das ist neu für mich. Ich habe ihn immer als Wissenschaftler betrachtet.

Raphael: Sie sahen ihn als Künstler, weil seine Theorien nicht wirklich beweisbar sind, aber dennoch den Ursprung der Psychotherapie darstellen. Was hast du aus der Kunst gelernt, insbesondere darüber, wie sie Erfahrungen hervorruft?

Jeff Zeig: Es geht darum, die Gesamtheit der Kommunikation zu nutzen.Das traditionelle Modell in der Therapie beschreibt die Therapeutin oder den Therapeuten oft als distanziert: Füße auf dem Boden, Arme verschränkt, ein mildes Lächeln, mit Fragen wie: „Erinnert Sie das an etwas? An Ihre Kindheit? An Ihre Mutter?“ Dabei geht es meist nur um Einsichten in die Vergangenheit.

Aber Therapeutinnen und Therapeuten denken selten daran, ihre Stimme, den Tonfall, die Geschwindigkeit, Gesten oder Bewegungen zu nutzen. Für mich ist das Büro eine Bühne, auf der das Drama der Veränderung inszeniert wird. Es geht darum, Menschen zu befähigen, sich selbst zu helfen – nicht nur durch die linke Gehirnhälfte oder ein Verstehen der Vergangenheit, sondern durch eine Transformation im Hier und Jetzt.

Man braucht nicht immer zu wissen, warum jemand eine Phobie oder Depression hat, um sie wirksam zu behandeln. Wichtiger ist, zu wissen, was man tun kann, um jemandem zu helfen, von einem problematischen Zustand in einen adaptiven Zustand zu gelangen.

Die Psychotherapie in den USA konzentriert sich derzeit stärker auf erforschbare Methoden als auf die Erkundung neuer Möglichkeiten. Das ist nicht mein Ansatz, aber ich bin ein aufmerksamer Konsument: Ich lerne gerne von den neuen Dingen, die andere tun, und nehme als Teilnehmer der Konferenzen selbst viele Impulse mit.

Raphael: Die nächste Konferenz findet 2025 statt, richtig?

Jeff Zeig: Ja, genau. Wir planen gerade die Evolution of Psychotherapy Conference 2025.

Raphael: Fantastisch! Ich werde die Website in den Shownotes verlinken, damit sich die Leute anmelden und den Newsletter abonnieren können.

Jeff Zeig: Das ist großartig. Es gibt einen Newsletter von der Erickson Foundation, die auch die Evolution of Psychotherapy Conference organisiert und sponsert. Allerdings gibt es eine andere Organisation, die jetzt die Verwaltung der Konferenz übernimmt.

Raphael: Alles klar. Gut zu wissen. Wir werden beim nächsten Mal mit einer deutschen Gruppe dabei sein.

Jeff Zeig: Hervorragend!

Raphael: Bei der Milton-Erickson-Gesellschaft Deutschland hast du 2024 einen Workshop mit dem Titel „Evocative Approach“ gehalten. Was genau versteht man unter dem „evokativen Ansatz“?

Jeff Zeig: Es ist leichter zu erklären, wenn man ihn mit einem informativen Ansatz vergleicht. Der informative Ansatz vermittelt Fakten – etwa wie viel Schubkraft nötig ist, um eine Rakete von der Erde ins All zu bringen. Das kann berechnet werden. Aber die Begeisterung, die Motivation oder die Neugier darüber, was durch das Starten einer Rakete entdeckt wird, sind erfahrungsbasierte Zustände, die man nicht durch reine Information hervorrufen kann.Wenn man einem Jugendlichen Verantwortung beibringen möchte, kann man endlos Vorträge über die Wichtigkeit von Verantwortung halten. Doch wenn der Jugendliche einem Verein beitritt, ein Haustier bekommt oder eine soziale Verpflichtung eingeht, wird Verantwortung plötzlich unsichtbar wichtig. Es ist die Erfahrung, die die Erkenntnis hervorruft.

Erickson war ein Meister darin, erfahrungsbasierte Momente zu nutzen, um Erkenntnisse hervorzurufen, anstatt nur zu informieren. Therapeut:innen können sich die einfache Frage stellen: „Ist dies ein Moment, in dem Information gebraucht wird? Oder ist dies ein Moment, in dem eine erfahrungsbasierte Erkenntnis benötigt wird?“ Wenn es um Erfahrung geht, nutzen wir Techniken, die teils aus der Hypnose stammen, aber keine formale Induktion erfordern.

Viele von Ericksons Beiträgen zur Hypnose waren eigentlich Beiträge zur Kunst der Psychotherapie. Hypnose lehrt uns, erfahrungsbasiert zu arbeiten. Induktionen helfen, eine Erfahrung zu schaffen, die die Erkenntnis eines Trancezustandes weckt. Das ist ähnlich, wenn man jemandem mit Angst, Depressionen, schlechten Angewohnheiten oder Beziehungsproblemen hilft – sie müssen etwas realisieren, um als eigenständige Akteure zu handeln.Das Modell der Hypnose funktioniert dafür hervorragend, auch wenn man keine formale Induktion durchführt. Aber die Prinzipien, wie man Zustände verändert, sind in der Hypnose stärker verankert als in anderen Formen der Psychotherapie.

Raphael: Das hast du also im Workshop auf dem Kongress unterrichtet. Du hast dort auch einen Vortrag gehalten, richtig? Der Titel war „Evolving Mastery in Hypnosis and Therapy“. Ging es um ein ähnliches Thema?

Jeff Zeig: Ja, es war ähnlich und drehte sich um die Nutzung von Repräsentationen. Zum Beispiel könnte ich jemandem sagen: „Es wäre hilfreich für dein Familienleben, offener über deine emotionalen Erfahrungen zu sprechen.“ Ich könnte aber auch eine repräsentative Geste machen – etwa meine Hände öffnen, anstatt sie verschlossen zu halten – um das Konzept lebendig werden zu lassen.

Wenn man die Schrecken des Krieges verstehen möchte, könnte man eine Enzyklopädie über die Zerstörung und Verluste lesen. Aber wenn man Picassos Gemälde „Guernica“ von 1937 gesehen hat, erlebt man unmittelbar, wie schrecklich Krieg ist. Erickson arbeitete daran, Menschen zu helfen, solche Erfahrungen zu machen – Realisationen, die durch das Erleben entstehen, nicht durch kognitives Verständnis.

Er gehörte einer Tradition an, die sich auf Ursachen konzentrierte: Warum sind Menschen, wie sie sind? Aber Erickson war praktischer und fragte: „Wie helfe ich jemandem, von Punkt A nach Punkt B zu kommen?“ Damit schuf er eine Dynamik in der Psychotherapie, die es so vorher nicht gab.

Raphael: Wenn du einer 23- oder 25-jährigen Person begegnest, die ihre Karriere noch nicht gewählt hat, was würdest du ihr raten?

Jeff Zeig: Wenn die Person sich für das Feld der Psychotherapie interessiert, würde ich vorschlagen, Dinge zu studieren, die auch Erickson inspirierten: Literatur, Musik und – obwohl Erickson selbst diese Gelegenheit nicht hatte – Filme. Filme sind die wohl eindringlichste Form der Kommunikation, die wir haben. Es geht darum, zu verstehen, welche dynamischen Prozesse Künstler:innen nutzen, um bei Menschen Erkenntnisse hervorzurufen, und wie diese in der Psychotherapie angewendet werden könnten.

In den USA gibt es einen vorgeschriebenen Lehrplan, der stärker auf empirisch orientierter Forschung basiert als auf der Kunst der Kommunikation. Kommunikation ist eine Kunst mit einer wissenschaftlichen Grundlage, aber im praktischen Kontext geht es darum, die Kunst der Kommunikation einzusetzen, um ein Ziel zu erreichen.

Ich versuche, mehr Repräsentationen in der Therapie zu nutzen, um Menschen Konzepte erfahrbar zu machen, anstatt sie nur zu informieren. Wenn ich beispielsweise mit offenen Armen gestikuliere, kann ich implizieren: „Du kannst offener sein.“ Das ist oft wirkungsvoller, als es einfach zu sagen.

Raphael: Und das würdest du jemandem raten, der eine Karriere in der Psychotherapie anstrebt?

Jeff Zeig: Ja, das wäre mein Rat – und auch, was ich mir selbst raten würde. Es ist ein zeitaufwendiger Prozess, ein professioneller Therapeut oder eine professionelle Therapeutin zu werden. In den USA, und ich denke auch in Deutschland, muss man eine Prüfung bestehen und über fundiertes Wissen in Theorie, Technik und Forschung verfügen. Erst nach Erhalt der Lizenz kann man definieren, welche Art von Therapeut:in man sein möchte – sei es Gestalt-, Familien- oder Kindertherapie.

Raphael: Vielen Dank für deine Ratschläge. Was sind einige deiner Visionen für die Zukunft der Psychotherapie? Worauf freust du dich?

Jeff Zeig: Ich schreibe derzeit ein Buch über evocative methods – also evokative Methoden. Darin geht es darum, wie wir Repräsentationen, strategische Entwicklungen und Modifikationen nutzen können, um besser Realisationen hervorzurufen.Ein Beispiel: Wenn ich Marc Antonios Rede „Freunde, Römer, Landsleute“ mechanisch vortrage, würde sie kaum berühren. Aber wenn ich meine Stimme, meinen Körper, meinen Ausdruck und meine Gesten einsetze, kann ich Begeisterung für die vorgestellten Konzepte wecken.

Hypnose lehrt uns, wie man Realisationen hervorruft, indem man die gesamte Kommunikation nutzt – Tonfall, Tempo, Pausen. Es geht darum, Ambiguität zu nutzen, um Effekte hervorzurufen. Das ist weniger wissenschaftlich und mehr künstlerisch. Wissenschaftlich kannst du den Weg eines Steins berechnen, den du trittst, aber wenn du einen Hund trittst, weißt du nicht, wie er reagieren wird.

Ein Beispiel ist das Rauchen. Eine Person muss erkennen, dass sie ein kompetentes Leben ohne Zigaretten führen kann. Es reicht nicht, dies einfach zu sagen – die Erkenntnis muss erfahrungsbasiert kommen.

Raphael: Ich habe vor vier Wochen mit dem Rauchen aufgehört und Alan Carrs Buch „Endlich Nichtraucher“ gelesen. Ich dachte zuerst, es würde mich informieren, aber das Buch führte mich durch eine Erfahrung. Am Ende hatte ich wirklich das Gefühl: „Ich brauche das Rauchen nicht, um glücklich zu sein.“

Jeff Zeig: Du warst bereit für eine evokative Realisation und hast keinen informativen Ansatz gebraucht.

Raphael: Genau. Für mich war das Buch wie eine schriftliche Hypnose – und es hat funktioniert.

Jeff Zeig: Das ist wunderbar.

Raphael: Es ist inspirierend zu sehen, dass du nach 50 Jahren als Praktiker immer noch danach strebst, ein besserer Therapeut zu werden.

Jeff Zeig: Das Tolle an unserem Beruf ist, dass wir mit zunehmendem Alter besser werden können, wenn wir uns darauf einlassen. Wir sollten uns immer weiter inspirieren, entwickeln und verbessern.

Raphael: Gibt es eine Frage, die ich nicht gestellt habe, die du aber gerne beantwortet hättest?

Jeff Zeig: Nein, ich denke, du hast großartige Arbeit geleistet. Ich hoffe, das Publikum kann wertschätzen, was wir hier erkundet haben. Die Essenz ist: Braucht die Person Informationen oder eine erfahrungsbasierte Realisation? Hypnose hilft uns, Realisationen zu schaffen, und andere künstlerische Kommunikationsformen – wie Drama oder Musik – bieten Parallelen, die wir in Trance und Psychotherapie nutzen können.

Raphael: Vielen Dank für deine Einsichten und dafür, dass du dir die Zeit genommen hast.

Jeff Zeig: Danke für die Gelegenheit.

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