Selbsttest: Wie du mit Selbsthypnose deine innere Klimaanlage aktivierst

Heute Sonne und große Hitze”, meldet meine Wetterapp. Puh”, denke ich mir beim Aufstehen. Ich schlüpfe in meine Shorts und mein Tanktop. Trotz minimaler Bekleidung komme ich verschwitzt im Büro an.

Gibt es nicht Möglichkeiten, mit Hypnose die eigene Temperatur zu regulieren? Ich erinnere mich an eine Geschichte, die Stephan Gilligan mal in einem Seminar erzählte. Dieser saß mit Milton Erickson in einem Zugabteil auf dem Weg durch Arizona. Dort herrscht Wüstenklima. Allen rann der Schweiß herunter, nur Erickson schien die Hitze nichts auszumachen.

Kann man mit Hypnose die Körpertemperatur beeinflussen?

Zahlreiche Studien bisher die Auswirkung der Hypnose auf die Hauttemperatur untersucht (Reid & Curtisinger, 1968; Grabowska, 1971; Peters & Stern, 1974; Piedmont, Bregman & McAllister, 1985). 

Eine Studie fand, dass Hypnose nicht die Temperatur verändert, sondern wie die Temperatur subjektiv wahrgenommen wird (Wallace & Kokoszka, 1992). „Würde mir reichen“ denke ich mir bei gefühlten 30° Celsius, die es während meiner Recherche hat. 

Weitere Studien beschäftigten sich, inwiefern Hypnotherapie bei Hitzewallungen Abhilfe schaffen kann (Elkins, Fisher, Johnson, Carpenter, & Keith, 2013). Frauen, die häufig unter Hitzewallungen litten, erhielten fünf Hypnose-Sessions zu je 45 Minuten. Die Hypnose-Sitzungen wurden aufgezeichnet und die Frauen erhielten dann die Aufgabe, die Suggestionen täglich über vier Versuchswochen zu hören. Das Ergebnis? Insgesamt nahm die Anzahl und die Intensität der Hitzewallungen ab.

Insgesamt lassen sich aufgrund dieser Studien schwer eindeutige Aussagen treffen. Das Design vieler Studien entspricht den wissenschaftlichen Kriterien häufig nicht gut genug und sie wurden noch nicht ausreichend oft wiederholt. Gleichzeitig gibt es mehr Hinweise, dass es möglich ist, als dass es nicht möglich ist. Das reicht mir vorerst, um mein Selbstexperiment zu starten. Zumal es mir vor allem auch um die Temperaturempfindung, als um die faktische Körpertemperatur geht.

Das Temperaturempfinden wird zudem von Hypnotherapeut*innen oft als Marker für die Trancetiefe genommen. Immer wieder berichten Klient*innen nach Sitzungen, dass sich ihre Körpertemperatur verändert habe. Auch von mir selbst weiß ich, dass mir nach besonders tiefen Trancen manchmal kalt ist.

Schritt für Schritt zu einem kühleren Erleben

Nach einiger Recherche habe ich einen Selbsthypnoseprozess zusammengestellt und so aufbereitet, dass auch du ihn testen kannst:

Schritt 1: 

Begib dich an einen ruhigen Ort, an dem du ungestört in eine Trance gehen kannst und bringe dich dafür in eine bequeme aber aufrechte Körperhaltung. Lass deine Beine und Hände unverschränkt und parallel zueinander. Wenn es sich gut anfühlt, drehe deine Handflächen nach oben und nimm auf diese Weise eine empfängliche Haltung ein.

Schritt 2: 

Induziere eine Trance. Falls du für diesen Schritt Anleitung brauchst, lies diesen Artikel über Selbsthypnose

Schritt 3: 

Vertiefe die Hypnose, indem du dich und deine Muskeln zunehmend lockerst und entspannst. Stell dir dafür kühle Farben vor wie z.B. blau oder weiß, die sich in deinem Körper ausbreiten. Alles, in das sie vordringen, entspannt sich. Führe irgendwann die Schlussfolgerung ein, dass wenn du entspannt bist, du weniger Energie verbrauchst und daher weniger Wärme produzierst. Gehe diese Schritte gegebenenfalls mehrmals durch. Erzwinge es nicht, sondern lass es geschehen. 

Nutze währenddessen deine inneren Stimmen und Gespräche für Autosuggestionen. Verwende Wörter die Kühle anregen, wie z.B: "cool" oder "chillen" ;). Solltest du merken, dass du dich verspannst, weil du Kühle erzwingen willst, nutze Autosuggestionen wie: Während mein Bewusstsein Abkühlung erzwingen will, kann ich mich unbewusst entspannen und locker werden.”

Schritt 4:

Such dir jetzt einen metaphorischen Grund, warum dir heiß ist. Vielleicht ist es die Sonne. Oder die vielen Menschen im Seminarraum. Oder der heiße Wind aus der Sahara. Der Grund muss weder wahr noch logisch sein. Unser Unbewusstes hat ein ganz anderes Verständnis von Logik als unser bewusstes Denken. Wichtig ist, dass sich der metaphorische Grund stimmig anfühlt und du mit der Vorstellung möglichst stark resonierst.

Schütze dich jetzt metaphorisch vor diese Einwirkungen:

  • Dreh die Temperatur der Sonne runter, bis es schön angenehm kühl ist.
  • Lass etwas Wind aus der Arktis wehen, der den Sahara Wind vertreibt. 
  • Stell dir eine blaue Laserwand vor, durch die heißer Wind nicht durchdringen kann.
  • Hülle die Menschen in Neoprenanzüge, die keine Wärme absondern. 

Schritt 5:

Zusätzlich zu den Schritten oben, kannst du dein Erlebnis der Kühle auch durch diverse Imaginationen verstärken. Wähle, was sich für dich stimmig anfühlt oder noch besser – finde deine eigenen Vorstellungen.

Hier ein paar Beispiele. Stell dir vor:

  • Du erhältst eine Novocain-Injektion, die ein ausgesprochen kaltes, kühlendes Gefühl unter der Haut auslöst. Dann stell dir vor, wie sich die Kühle ausbreitet und den Weg durch den Körper geht, kühlt, kühlt, kühlt und beruhigt.
  • Du hast eine Klimaanlage in dem Raum, in dem du dich befindest, die die Luft kühlt. Woran erkennt man, dass diese eingeschaltet ist? Welche Empfindungen sagen dir, dass der Raum, in dem du dich befindest, gekühlt wird?
  • Du gibst einen Eisbeutel auf deine Haut. Wähle Bereiche aus, die der Schlüssel sind oder von denen du glaubst, dass sie den Rest deines Körpers beeinflussen, wenn sie gekühlt werden. 
  • Du springst in ein Eisbad oder du trittst unter eine eiskalte Dusche. (Du kannst diese Vorstellung auch auslassen, falls du die Selbsthypnose vor dem Schlafen gehen machst. Nur für den Fall, dass du es so gut machst, dass du dich dadurch belebt und aufgeweckt fühlst! ;))

Schritt 6:

Gib dir posthypnotische Suggestionen, damit du dich im Alltag schneller herunterkühlen kannst.

Immer dann, wenn ich in eine Kühlungs-Trance gehe, gelingt es besser und schneller angenehme Kühle im Körper auszubreiten.”

Und falls mit Hypnose tatsächlich nur die Empfindung von Wärme verändert wird, füge auch noch folgende posthypnotische Suggestion an:

Immer dann, wenn mir heiß ist, erinnere ich mich daran, ausreichend zu trinken und mich auch physisch zu kühlen.” 

Schritt 7: Beende die Hypnose.

Wackel mit den Zehen und Fingern, atme tief ein und finde langsam zurück in den Raum, in dem du dich befindest.


Hast du schon einmal mit Selbsthypnose dein Temperaturempfinden beeinflusst? Wie bist du dabei vorgegangen und welche Vorstellungen haben dir geholfen, mehr Kühle zu erleben?

Gleich morgen geht's los mit meinem Selbstexperiment bei besten Voraussetzungen:

🔥 24.7.2019 ORF.at

Viel Spaß beim Abkühlen! ❄️

Autor: Raphael Kolic

Raphael bloggt seit Mitte 2018 für die Milton Erickson Gesellschaft für klinische Hypnose. Er macht gerade selbst die Ausbildung zum Psychotherapeuten. In Heidelberg, Wien und Hamburg hat er das Curriculum klinische Hypnose als Praktikant durchlaufen. Ein paar seiner vergangenen Projekte sind unter anderem der Blog no-right-no-wrong.com und sein Buch: Achtsame Selbsthypnose.

Literatur

Elkins, G. R., Fisher, W. I., Johnson, A. K., Carpenter, J. S., & Keith, T. Z. (2013). Clinical hypnosis in the treatment of post-menopausal hot flashes: a randomized controlled trial. Menopause (New York, NY), 20(3).

Grabowska, M. J. (1971) The effects of hypnosis and hypnotic suggestion on the blood flow in the extremities. Polish Medical Journal, 10: 1044-1051.

Peters, J. E. & Stern, R. M. (1974) Peripheral skin temperature and vasomotor responses during hypnotic induction. International Journal of Clinical and Experimental Hypnosis, 21: 102-108.

Piedmont, R. L. (1983) Relationship between hypnotic susceptibility and thermal regulation: new directions for research. Perceptual and Motor Skills, 56: 627-631.

Reid, A. F. & Curtisinger, G. (1968) Physiological changes associated with hypnosis: the effect of hypnosis on temperature. International Journal of Clinical and Experimental Hypnosis, 16: 111-119.

Wallace, B. & Kokoszka, A. (1992) Experience of peripheral temperature change during hypnotic analgesia. International Journal of Clinical and Experimental Hypnosis, 40: 180-193.

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