„Ein Mann, der Herrn K. lange nicht gesehen hatte, begrüßte ihn mit den Worten: ‚Sie haben sich gar nicht verändert.‘ ‚Oh!‘, sagte Herr K. und erbleichte.“ (Bertolt Brecht: Geschichten vom Herrn Keuner)

​„Sie haben sich gar nicht verändert." Wahrscheinlich war die Aussage als Kompliment gemeint und lediglich auf das Äußere bezogen. Doch Herr K. hörte vermutlich etwas anderes. Er hörte Stillstand, Langeweile, Gefangensein im ewig gleichen Alltag. 

Veränderung ist ein sehr ambivalentes Thema. Einerseits ist sie vor allem in einer Gesellschaft der Selbstoptimierung in einem bereits extremen Maß erwünscht und angesehen: Sich weiterbilden, den Körper formen und in jedem Aspekt noch besser werden. Andererseits weicht sie im Zeitalter der Digitalisierung einer immer kleiner werdenden Komfortzone. Netflix & Co. zu konsumieren ist eben einfacher, als sich um eine ordentliche Mahlzeit zu kümmern oder etwas Neues zu lernen.

Noch mal etwas mehr beim Joggen rausholen.

Oder lieber doch vorm iPad gammeln.

Veränderung (mit einer Prise Achtsamkeit) bedeutet, im Fluss des Lebens zu sein. Was lebendig ist, verändert sich. Kurz vorm neuen Jahr möchte ich Dich daher auf folgende Vorstellungsreise einladen:

Schließe Deine Augen und vergegenwärtige Dir Deine jetzige Lebenssituation. Was machst Du beruflich? Welche Gewohnheiten hast Du? Wie fühlst Du Dich? Mit welchen Menschen umgibst Du Dich? Gehe jetzt in die Zukunft und stell Dir vor, wie sich nichts ändert:

  • in drei Monaten
  • in einem Jahr
  • in fünf Jahren
  • in zehn Jahren
  • in zwanzig Jahren

Schließe Deine Augen und stell Dir jeden Zeitpunkt so vor, als hätte sich nichts verändert. Sei neugierig, was passiert.

Du kannst Dich jetzt wieder ganz auf diesen Text konzentrieren. 

Welche Gefühle sind während des Experiments in Dir aufgekommen?

Ganz häufig erfahren Menschen bei dieser Imagination Ekel bis hin zu starken psychosomatischen Symptomen des Unwohlseins.

Wir brauchen also Veränderung. Wenn das schon so ist, können wir ja auch etwas machen, was etwas mehr Spaß und Begeisterung in unser Leben bringt. Deswegen frage dich doch dieses Jahr:

"Was will ich nächstes Jahr zum ersten Mal machen?"

In diesem Sinne einen guten Rutsch ins neue Jahr!

Quellen:
Inspiriert vom Seminar Depression & Burnout von Ortwin Meiss
Bertolt Brecht: Geschichten vom Herrn Keuner. Das Wiedersehen.

Autor: Raphael Kolic

Raphael bloggt seit Mitte 2018 für die Milton Erickson Gesellschaft für klinische Hypnose. Er macht gerade selbst die Ausbildung zum Psychotherapeuten. In Heidelberg, Wien und Hamburg hat er das Curriculum klinische Hypnose als Praktikant durchlaufen. Ein paar seiner vergangenen Projekte sind unter anderem der Blog no-right-no-wrong.com und sein Buch: Achtsame Selbsthypnose.

>