Freud und Hypnose: Wie der junge Freud Hypnose nutzte und warum er sie wieder aufgab

Wenn Du Dich mit Hypnose schon mal befasst hast, wirst Du wahrscheinlich wissen, dass Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, in seinen frühen Jahren als Arzt mit der Hypnose geliebäugelt hat.

Als ich es vor einigen Jahren erfuhr, war ich ziemlich baff. Ich konnte mich nicht daran erinnern, jemals in einer Vorlesung an der Universität oder in einem von Freuds späteren Büchern darüber gelesen zu haben. Ich hätte vor allen Dingen nicht gedacht zu erfahren, dass die Hypnose für Freud mehr war als nur eine frühe Faszination, sondern gar der notwendige Sprungstein für die Entwicklung der Psychoanalyse!

Du wirst in diesem Blogartikel erfahren, wie Freud zur Hypnose und die Hypnose zu Freud kam, was Freud über sie annahm, wie er sie einsetzte - und warum er sie wieder aufgab.

Ein kurzer Hinweis vorab: Wenn im Folgenden das Wort "Hysterie" fällt, dann spreche ich von einer Krankheitsdefinition wie es sie zu Zeiten Sigmund Freuds gab. Keinesfalls möchte ich den Eindruck erwecken, als sei es eine heutzutage anerkannte Störung. Generell gehe ich auf manche Punkte nicht konkreter ein, obwohl darüber mehr gesagt werden könnte. Ich bitte Dich, mir eine gewisse Oberflächlichkeit meines Blogbeitrages zu verzeihen. Aber lass uns gleich ins Thema eintauchen.

Throwback: Wien, Kaisertum Österreich, 1882

Gehen wir zurück in das Jahr 1882. Freud ist frisch promovierter Doktor der Medizin und beginnt seine Karriere als Aspirant und später Assistenzarzt am gehirnanatomischen Institut des Wiener Allgemeinen Krankenhauses.

Altes Allgemeines Krankenhaus heute. Foto: Lisa Anton-Boicuk

In der Wiener Ärztegesellschaft der damaligen Zeit wird von Hypnose nicht viel gehalten - man denkt in charakteristisch Wienerischer Überheblichkeit (Verzeih' mir, Wien, ich bin dein größter Fan!) und mit hochgezogener Augenbraue an die längst überholte Theorie des Mesmerschen Animalischen Magnetismus, die in Europa den Grundstein für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Hypnose legte.

Zwei Jahre zuvor, also 1880, machten in Wien Auftritte des dänischen Magnetiseurs (heute könnte man dazu sagen: Showhypnotiseur mit Heilabsichten) Carl Hansen Furore. Die dargebotenen hypnotischen Phänomene waren so überzeugend, dass sich die Wiener Ärztegesellschaft damit befassen musste. Die Reaktionen waren unterschiedlich: Skeptiker blieben skeptisch, den anderen war es eine willkommene Gelegenheit, ernsthafter über Hypnose zu sprechen.

In Deutschland war es ein gewisser Rudolf Heidenhain, der sich inspiriert von dem, was er bei Hansen sah, für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Hypnose einsetzte, "was aber die Professoren der Psychiatrie nicht abhielt, noch auf lange hinaus die Hypnose für etwas Schwindelhaftes und überdies Gefährliches zu erklären und auf die Hypnotiseure geringschätzig herabzuschauen" (Freud, 1955, S. 40).

Übrigens war auch Freud in einer Vorstellung von Carl Hansen. Er schreibt dazu: "Noch als Student hatte ich einer öffentlichen Vorstellung des 'Magnetiseurs' Hansen beigewohnt und bemerkt, daß eine der Versuchspersonen totenbleich wurde, als sie in kataleptische Starre geriet und während der ganzen Dauer des Zustandes so verharrte. Damit war meine Überzeugung von der Echtheit der hypnotischen Phänomene fest begründet." (1955, S. 40).

Kurz und gut: die Umstände damals in Bezug auf Hypnose waren gelinde gesagt gespalten. Kehren wir wieder ins Jahr 1882 zurück. Freud beginnt nun während seiner Aspirantur/Assistenz, sich dem Studium der Nervenkrankheiten (heute: psychische Störungen) zu widmen und stellt enttäuscht fest, dass er weder gute Büchersammlungen noch bedeutend gute Lehrer für Hypnose finden kann.

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Freud in Paris auf der Suche nach Antworten

Bezüglich Hypnose stelle ich mir vor, dass Freud selbst hin und hergerissen war, ob er dieser unbeliebten Methode wirklich seine Aufmerksamkeit widmen soll. Er schreibt: "In der Ferne leuchtete der große Name Charcots und so machte ich mir den Plan, hier [in Wien; Anm. d. Autorin] die Dozentur für Nervenkrankheiten zu erwerben und dann zur weiteren Ausbildung nach Paris zu gehen" (1955, S. 36).

Gesagt - getan. Im Herbst 1885 fährt Freud nach Paris. Zunächst ist er einer von vielen Interessierten, die teilweise aus der Ferne in Jean-Martin Charcots berühmte Pariser Klinik der Salpêtrière (damals schon eine psychiatrische Anstalt) angereist kamen. Doch er schafft den Schritt in Charcots Dunstkreis, indem er sich ihm als Übersetzer seiner Werke anbietet.

An dieser Klinik forschte man seit den 1860er Jahren zur Hysterie aus neuropathologischer Sicht, was bedeutet, dass man von einer Verletzung oder Störung im Nervensystem als Ursache ausging (immerhin war nun nicht mehr der verrückt gewordene Uterus die Ursache!).

Was man heute unter "Forschung" versteht, ist nicht deckungsgleich mit damals. Man war sich sehr unsicher, wo man nach der Ursache für Hysterie suchen sollte und erst recht wusste man nicht wie. Entsprechend unterschiedliche Herangehensweisen gab es, hysterische Symptome sichtbar und somit besser untersuchbar zu machen, und Hypnose war eine besonders eindrucksvolle.

"Une leçon clinique à la Salpêtrière" von André Brouillet (1887). Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Une_le%C3%A7on_clinique_%C3%A0_la_Salp%C3%AAtri%C3%A8re_02.jpg

Freud schaut sich an der Salpêtrière also auch die berühmten Vorlesungen an, wo (zum Teil inszenierte) Demonstrationen an hysterischen Patientinnen vorgeführt werden. Er überzeugt sich davon, dass hypnotische Suggestionen tatsächlich solche hysterischen Symptome wie Lähmung und Kontrakturen künstlich erzeugen können. Allerdings merkt er auch, dass Charcot nicht an der psychologischen Natur von Störungen interessiert zu sein scheint - und von Therapie ist dort sowieso nicht die Rede.

Freuds Rückkehr nach Wien ins Chaos

Ein Jahr später, im Herbst 1886, lässt sich Freud als sogenannter Nervenarzt in Wien nieder. Die Wiener Ärztegesellschaft möchte zunächst von ihm erfahren, was er in Paris gelernt habe. Freuds Berichte darüber, dass auch Männer hysterisch sein könnten, waren jedoch zu viel für die hysterieverschonten Nerven der Wiener Ärzte ("Wir haben doch keinen Uterus!"). Nach und nach wird Freud ausgeschlossen - ins Laboratorium darf er nicht mehr kommen und für seine Vorlesungen finden sich plötzlich keine Räumlichkeiten mehr - bis er von selbst beschließt, dieser Gesellschaft den Rücken zu kehren.

Nun ist Freud regelrecht gezwungen, seinen Beruf zu überdenken: "Wenn man von der Behandlung Nervenkranker leben wollte, mußte man offenbar ihnen etwas leisten können. Mein therapeutisches Arsenal umfaßte nur zwei Waffen, die Elektrotherapie und die Hypnose, denn die Versendung in die Wasserheilanstalt nach einmaliger Konsultation war keine zureichende Erwerbsquelle" (1955, S. 39f.). Der Schritt hinaus aus der akademischen Sphäre und hinein in die der Psychotherapie ist vollbracht!

Die Elektrotherapie gibt er ziemlich schnell wieder auf, weil sie ihn enttäuschte, aber an der Hypnose bleibt er hängen. Es ist amüsant zu lesen wie er es begründet: "[Die] Arbeit mit der Hypnose [war] wirklich verführerisch. Man hatte zum erstenmal das Gefühl seiner Ohnmacht überwunden, der Ruf des Wundertäters war sehr schmeichelhaft" (1955, S. 41). Liebe Leserin,  lieber Leser, wenn Du Dir einen Heilberuf ausgewählt hast, weißt Du wahrscheinlich, wie verführerisch eine Heilmethode sein kann, von der wir uns das beste Ergebnis versprechen und das uns handlungsfähig fühlen lässt in Situationen, wo wir einfach nicht weiter wissen.

Nur zwei Punkte fallen ihm zu seiner eigenen Überraschung schwer: Im Vergleich zu Charcot konnte er nicht alle Kranke hypnotisieren und diejenigen, bei dem es ihm gelang, kamen nicht alle so tief in Hypnose wie er es wollte.

Gleichzeitig verbreitet sich die Neuigkeit, dass in Nancy, Frankreich, eine Schule immer bekannter wird, die sich mit der therapeutischen Wirkung von hypnotischer und nicht-hypnotischer Suggestionen befasst. Freud reist schließlich 1889 für mehrere Wochen dorthin und kommt in einen sehr inspirierenden, persönlichen Kontakt mit Ambroise-Auguste Liébeault und Hippolyte Bernheim.

Hippolyte Bernheim (1840-1919). Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Hippolyte_Bernheim#/media/File:Bernheim.jpg

In Nancy lernt er, wie man direkte Suggestionen dazu einsetzen kann, Symptome von Nervenkrankheiten gezielt zu beseitigen, nämlich indem man diese Symptome schlicht und einfach verbietet und vorgibt wie sich die PatientInnen stattdessen fühlen sollen (das Wegsuggerieren). Aber Bernheim vertraut ihm auch an, dass er merkwürdigerweise nur mit den PatientInnen im Spital von Nancy Erfolg hat und dafür kaum bei seinen PrivatpatientInnen in der Praxis.

Sigmund und Josef: Hypno-Freunde 

Also gewissermaßen eine weitere Enttäuschung für Freud, der sich wieder zurück nach Wien begibt. Er erinnert sich nun an einen Fallbericht seines engen Freundes Josef Breuer, der ihm vor einigen Jahren über seine Patientin Anna O. berichtete. Wie es mit vielen großen Entdeckungen üblich ist, so ist auch Breuer eher durch Zufall darauf gestoßen, dass ein hysterisches Symptom plötzlich verschwand, als Anna O. in Hypnose eine möglicherweise für die Krankheit ursächliche Situation emotional (wieder-)durchlebte.

Freud entscheidet sich also, dieses Breuersche Verfahren der Ausforschung und Katharsis (kommt von "Reinigung") und die in Frankreich gelernte Methode des Wegsuggerierens an seinen eigenen Patientinnen (so weit ich weiß nur weibliche) auszuführen und siehe da! mit bedeutendem Erfolg. Also veröffentlicht er mit seinem Freund die gemeinsamen Beobachtungen in "Vorläufige Mitteilungen: Über den psychischen Mechanismus hysterischer Phänomene" 1893 und später detaillierter in "Studien über Hysterie" 1895.

Aber wie therapierte Freud nun eigentlich genau?

Um es in einfachen Worten zusammenzufassen, behandelte Freud in Hypnose neben der Technik des Wegsuggerierens folgendermaßen: Er versetzte die Patientin in Hypnose und bat sie, an Ort und Zeit des ersten Auftauchens des Symptoms zu gehen. Seine und Breuers Annahme war, dass es häufig eine traumatische Situation war, in der die Person ihren Gefühlen keinen angemessenen Ausdruck verleihen konnte und sich somit die ganze Energie dieser Gefühle im Körper ansetzte. Resultat waren die hysterischen Symptome der Lähmung, Kontraktion oder Missempfindungen.

Was HysterikerInnen von gesunden Personen, die ähnlich traumatische Erfahrungen machten, unterscheiden sollte, war der hypnoseähnliche (hypnoide) Bewusstseinszustand, in den HysterikerInnen deutlich leichter und insbesondere in Stresssituationen verfallen würden. Deshalb war Hypnose das Mittel der Wahl, um die Erinnerungen, die in hypnoseähnlichen Zuständen entstanden sind und nur in diesen abrufbar sein sollten, abzurufen.

Wenn diese Erinnerung(en) gefunden wurde(n) (das konnte ein paar Sitzungen dauern), sollte die Patientin diese negativen oder gar traumatischen Gefühle wieder durchleben, indem sie so ausführlich wie möglich darüber spricht. Durch dieses sogenannte (verbale) Abreagieren beobachteten Freud und Breuer eine Besserung der Symptome. Übrigens hielt die Besserung meisten "nur" ein paar Monate an.

Wenn man mit der Psychoanalyse vertraut ist, kann es unheimlich spannend sein, die "Studien über Hypnose" zu lesen. Man erlebt quasi hautnah mit, wie Freud durch die Arbeit mit Hypnose allmählich auf die Bedeutung des Unbewussten, der Abwehr, der (sexuellen) Übertragung und der vielen weiteren Konzepten stößt, die er erst Jahre später in eine explizite Theorie verpacken wird. Leider ginge es zu weit, näher darauf einzugehen. Außerdem bin ich offen gestanden keine Wahl-Psychoanalytikerin, weshalb ich Dir und mir die Peinlichkeit unkundiger Einblicke in diese komplexe Theorie ersparen möchte.

Das Ende Freuds Faszination mit Hypnose

Kommen wir nun zu den Gründen, weshalb Freud die Hypnose wieder aufgegeben hat. Ja, er hatte Schwierigkeiten, auch nur annähernd so erfolgreich Menschen zu hypnotisieren wie es anscheinend Charcot in der Salpêtriere gelang. Und ja, er hatte auch Schwierigkeiten, die Hypnotisierbaren in wirklich tiefe Trance zu versetzen. Also quasi ein Problem der Quantität UND der Qualität. Und er hatte, wie es ihm Bernheim gestanden hatte, ebenfalls mäßigen Erfolg mit direkten Suggestionen. Aber all das waren noch nicht die Gründe.

Er beobachtete, dass die Erfolge der Therapie stärker von der Art der Beziehung zwischen Therapeut und Patientin abhängen mussten, als vom Abreagieren in Hypnose. Denn solange die Beziehung gut war, war die Behandlung erfolgreich, und sobald sich die Beziehung verschlechterte, kehrten die Symptome wieder zurück. Das gab Freud zu denken und dann geschah Folgendes:

"Sodann machte ich eines Tages eine Erfahrung, die mir in grellem Lichte zeigte, was ich längst vermutet hatte. Als ich einmal eine meiner gefügigsten Patientinnen, bei der die Hypnose die merkwürdigsten Kunststücke ermöglicht hatte, durch die Zurückführung ihres Schmerzanfalls auf seine Veranlassung von ihrem Leiden befreite, schlug sie beim Erwachen ihre Arme um meinen Hals. [...] Ich war nüchtern genug, diesen Zufall nicht auf die Rechnung meiner persönlichen Unwiderstehlichkeit zu setzen und meinte, jetzt die Natur des mystischen Elements, welches hinter der Hypnose wirkte, erfaßt zu haben. Um es auszuschalten oder wenigstens zu isolieren, mußte ich die Hypnose aufgeben." (1955, S. 52). Dieses mystische Element ist das der Sexualität, die in Freuds psychoanalytischer Theorie eine so zentrale Rollen spielen wird.

What´s on a Man´s Mind

Freud blieb zwar überzeugt, dass Hypnose den Zugang zu den ursächlichen Erinnerungen erleichtert, aber er stellte fest, dass die Erinnerungen auch im Wachzustand zugänglich sein können, wenn man nur geduldig danach sucht. Was von der Hypnose übrig blieb, war die Liegeposition der PatientInnen während der Behandlung - und gewissermaßen die Psychoanalyse.

Durch Freuds Abwendung von der Hypnose und dem Ableben der französischen Meister in Paris und Nancy geriet die Hypnose in Wissenschaft und Psychotherapie in einen jahrzehntelangen Winterschlaf, bis sie Mitte des letzten Jahrhunderts wieder anfing an verschiedenen Ecken der Welt zu sprießen. Der für die therapeutische Welt bedeutendste Spross erblickte das Tageslicht in Phoenix, Arizona, wo ein gewisser Milton H. Erickson die Hypnose als Therapiemethode wach küsste.

Seitdem sind Freuds Bedenken mit dem geschmolzenen Schneewasser davongetragen worden und in der Tat erweist sich die moderne Hypnotherapie (diesmal weniger direktiv und nicht mehr im Dienste einer Erinnerungssuchmaschine) seitdem für bestimmte Beschwerden als sehr effektive Behandlungsmethode.

Wenn Du Fragen oder Kommentare hast, freue ich mich ehrlich und aufrichtig, sie hier zu lesen. Trau' Dich.

Autorin: Lisa Anton-Boicuk MSc

Lisa hat ihren Masterabschluss in Klinischer Psychologie an der Universität Wien absolviert und erforschte dort über zwei Jahre lang den Einfluss von Hypnose auf das Wahrnehmen, Denken und Fühlen. Am Milton-Erickson-Institut Rottweil hat sie die Curricula der Klinischen Hypnose und Hypnosystemischen Kommunikation durchlaufen. Heute arbeitet sie als Psychologin in einer psychosomatischen Klinik. Privat ist sie ambitionierte Kaffeesomelière.

Literaturliste zum Nachlesen und Schmökern:

Chertok, L. (1977). Hypnose. Theorie, Praxis und Technik. Genf: Ariston Verlag.

Freud, S. (1955): Gesammelte Werke, Band XIV. London: Imago Publishing.

Freud, S. & Breuer, J. (1974). Studien über Hysterie. Frankfurt am Main: Fischer Verlag.

Mayer, A. (2002). Mikroskopie der Psyche. Die Anfänge der Psychoanalyse im Hypnose-Labor. Göttingen: Wallstein Verlag.

  • Juana Schröter sagt:

    Sehr geehrte Frau Anton-Boicuk,
    Ihr Erstaunen über Freud´s durchaus recht intensive Auseinandersetzung mit der Hypnose zeigt mir doch, – wie Sie es selbst formuliert haben- dass nicht in allen Universitäten heutzutage diesem Teil der Psychotherapiegeschichte ausreichend Bedeutung beigemessen wird. Schön, dass Sie sich dennoch mit diesem „Kapitel“ beschäftigen.
    Besonders für Hypnoseinteressierte halte ich das Wissen um das Hypnoseverständnis zum Ende des 19. Jahrhunderts für sehr spannend – erst recht im Vergleich zu unserem heutigen hypnotherapeutischen Denken. Ein Blick in die Geschichte und quasi über die Schultern Sigmund Freud´s macht Spaß und lässt erkennen, welche Erfahrungen – Erfolge wie Hindernisse – er in der Arbeit mit der Hypnose seiner Zeit machte. Anhand Freud´s detaillierter Aufzeichnungen kann man seine Entwicklung vom damals üblichen direktiven Hypnotismus hin zur Psychoanalyse fast hautnah mitverfolgen. Freud hat zudem später auch stets anerkennend den Wert der Hypnose für seine eigene Theorieentwicklung betont. Für den Leser kann es auch sehr spannend sein, vor allem indirekte hypnotische Vorgehensweisen in der Psychoanalyse weiterhin vorzufinden.
    Aus meiner Sicht ist es für angehende Hypnotherapeuten – ich wiederhole mich – wichtig und interessant, dass sich das heutige Hypnoseverständnis in vielerlei Hinsicht vom Hypnotismus Ende des 19. Jahrhunderts unterscheidet. Ich halte es zudem für grundlegend, Freud´s Argumentation im Rahmen der hypnotischen Arbeit zu kennen. Einerseits zeigt sich bei intensiver Beschäftigung mit Freud, dass seine Anwendung der Hypnose immer in Bezug zur damaligen Zeitgeschichte gesehen werden muss (u.a. Anforderungen des Klientel der Wiener Oberschicht; generelles Hypnoseverständnis), andererseits ist es sehr aufschlussreich, sich mit der Passung zwischen Therapeut (Freud) und Methode (Hypnose) zu befassen.
    Falls Sie diesbezüglich vertiefter nachlesen möchten, kann ich Sie gern auf mein bei Carl Auer erschienenes Buch verweisen. Schröter (2014). Die Entwicklung des Hypnotismus und Sigmund Freud. Eine Analyse mit überraschenden Ergebnissen empfehlen. Carl Auer Verlag
    Das Buch ist das Ergebnis meiner intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema im Rahmen meiner Masterarbeit.
    Viele Grüße
    Juana Schröter

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